Warum wir unseren Blick auch mal außerhalb des Supermarktes auf unsere heimischen Superfoods werfen sollten. Und warum, dass nicht nur lecker ist und viele gesunde Nährstoffe auf uns warten, sondern auch gleichzeitig ein meditatives Vergnügen. Annika von kruut berichtet über ein Erlebnis für den Geist und den Bauch.

Unser Bezug zum wilden Grün
Der Wind streift über die Wiese, lässt Ackerschachtelhalm, Giersch und Brennnesseln wehen. Der Blick prüft die Form des Blatts, ertastet die raue Oberfläche. Ein Blatt wird zwischen den Fingern gerieben und verströmt den vertrauten Geruch. Sorgfältig geerntet landet es im Leinenbeutel und gesellt sich zu den anderen Funden.
Für diese Momente in der unberührten Natur muss ich mich gar nicht weit weg bewegen. Der nächste Stadtpark, die letzte S-Bahn Station oder auch die Wiese hinter dem Haus – schon bin ich mitten drin in der Wildnis.
Unsere Vorfahren ernährten sich von dem, was ihnen die Natur vor ihrer Nase schenkte. Sie streiften umher auf der Suche nach Beeren, Kräutern, Wurzeln und Nüssen. Dann wurden sie sesshaft und kultivierten die wilde Natur. Das Wissen rund um den Nährstoffgehalt der heimischen Flora und Fauna verschwand. Das wertvolle Grün wurde sogar lästig und bekam den Namen „Unkraut“. Heutzutage verlieren wir den Ursprung des Essens immer mehr aus den Augen. Die wilde Natur findet keinen Platz mehr auf dem täglichen Speiseplan.
Achtsames Sammeln
Dabei ist es ganz leicht wieder damit anzufangen. Bücher, Wildkräuterwanderungen und sogar Onlinekurse bieten die Möglichkeit, sich ausgiebig zu informieren, bevor das Sammeln losgeht. Denn auch in unseren Breitengraden wachsen hochgiftige Pflanzen, wie der Schierling. Der Schierlingsbecher diente im Altertum als gängiges Hinrichtungsinstrument und schon Sokrates fiel ihm zum Opfer. Daher sollte nur gesammelt werden, was ganz sicher bestimmt werden kann.
Zum Start sind einfach erkennbare Wildräuter wie Labkraut, Sauerampfer, Spitzwegerich, Brennnessel und Giersch gut geeignet. Mit jedem Tag auf der Wiese steigt das Wissen um die gesichteten Kräuter und schon bald fühlt es sich ganz natürlich an, Essbares von nicht Essbarem zu unterscheiden. Viel brauchst du nicht: Ausgestattet mit einem Sammelbeutel oder -korb werden idealerweise Wiesen und Waldränder fernab von Straßen und der konventionellen Landwirtschaft abgesucht. Urbane Sammler können sich bei der Stadtverwaltung informieren, in welchen Parks nicht gespritzt wird. Ein guter Zeitpunkt, um auf einen Streifzug nach heimischen Nährstofflieferanten zu gehen, ist der frühe Vormittag an einem sonnigen Tag. Hier sind die Pflanzen am kräftigsten. Wichtig dabei ist es, rücksichtsvoll zu sammeln und der Natur keinen Schaden zuzufügen. Als Faustregel gilt: Maximal ein Viertel eines Bestandes abernten. So kann sich die Pflanze erholen und auch Vögel und Insekten finden noch genug Nahrung.

Giersch
Giersch kennen die meisten als wucherndes Unkraut aus dem Garten. Dabei ist die Pflanze oftmals sogar gesünder als unser Kulturgemüse und auch eng mit diesem verwandt. Giersch ist als Doldenblütler verwandt mit Möhre, Pastinake, Kümmel, Petersilie und Dill. Das Wildkraut ist eine wahre Vitamin-C Bombe, mild im Geschmack und kann als Salat, im Pesto, gedünstet oder im Smoothie verwendet werden. Beim Sammeln unbedingt auf die markanten Blätter achten, um Verwechslungen mit giftigen Verwandten vorzubeugen. In Zusammenarbeit mit anikamille haben wir auch das Rezept für einen Polenta Muffin mit Giersch entwickelt, an dem du dich einmal ausprobieren kannst.
Sauerampfer
Sauerampfer ist ein erfrischend-stärkender Snack auf achtsamen Wanderungen durch Flora und Fauna. Gesammelt werden sollten junge, frische Blätter, da der Oxalgehalt der älteren leicht rötlichen Blätter deutlich höher ist. Oxalsäure, wie sie auch im Rhabarber zu finden ist, sollte nur in kleinen Mengen verzehrt werden. Das nährstoffreiche Kraut mit den pfeilförmigen Blättern bietet viel Vitamin C, Bitter- und Gerbstoffe, sowie Kalium.
Du kannst daraus beispielsweise kleine Tartelettes mit eine Sauerampfer-Creme machen.
Birke
Die Birke ist wohl der am leichtesten erkennbare Baum auf Grund seiner weißen Rinde. Auf langen Spaziergängen können uns die Blätter als kleiner Snack dienen. Am leckersten schmecken die junge Blätter von Mai bis Mitte Juni. Aber Achtung: Bitte immer nur sehr wenige Blätter von einem Baum sammeln. Wir wollen der Natur keinen Schaden zufügen. Birkenblätter sind reich an Vitamin C und wirken auf Grund der enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe „durchspülend“. Neudeutsch bezeichnet sind die das perfekte Detox-Mittel! Auch die Knospen lassen sich essen, wie beispielsweise in diesem Knuspermüsli mit Birkenknospen.

Lärchentriebe
Die Lärche ist ein Nadelbaum aus der Familie
der Kieferngewächse. Die Gattung ist durch ihre Besonderheiten sehr einfach zu erkennen: Die Nadeln sind weder grün noch starr, wie die der anderen Nadelbäume. Außerdem wirft die sommergrüne Lärche im Herbst ihre goldgelben Nadeln ab. Zurück bleiben die schlanken Äste mit knotigen Verdickungen. Die jungen Triebe der Lärche schmecken herrlich zitronig und erfrischend.
Wenn du nach einem Rezept suchst, um Lärchennadeln zu verzehren, kannst du diesen Tabouleh Salat mit Lärche ausprobieren.
Verzehr
Für den täglichen Verzehr lassen sich Wildkräuter in einem nassen Tuch eingewickelt bis zu fünf Tage im Kühlschrank lagern und verfeinern Salate und Smoothies. Gedünstet dienen sie als Spinatersatz und auch in Aufläufen und Suppen sind sie eine nahrhafte Ergänzung.
Durch die natürliche Form der Nahrungssuche, die uns schon seit Urzeiten innewohnt, fühlt sich unser Körper zurück erinnert an unser ursprüngliches Biotop - fernab von der Zivilisation, die wir uns geschaffen haben. Kleine Mini-Ausflüge in die wilde Natur helfen einer mentalen Erschöpfung vorzubeugen. Wir lernen wieder langsam und bewusst unsere Umgebung wahrzunehmen und können diese Ruhe mit in den Alltag bringen. Ein weiterer Pluspunkt: Man kehrt nicht mit leeren Händen heim, sondern kann sich anschließend mit leckeren Vitalstoffen aus der Natur verwöhnen und so das Gefühl der Wildnis nachwirken lassen.

Annika Krause ist ausgebildete Pflanzenheilkundlerin, gibt wilde Wanderungen und Kochkurse mit Wildpflanzen in Berlin, Hamburg, Freiburg und München. Sie ist Gründerin des Unternehmens kruut, das Kräuterauszüge aus überlieferten Rezepturen herstellt. Es ist ihre Mission, Wildkräuter wieder zurück in den Alltag der Menschen zu bringen. Weitere Informationen zu den Tinkturen und Wanderungen gibt es auf kruut.de und in den sozialen Medien unter @kruut_organic.